Freitag, 1. Februar 2008

Kabarett: HG. Butzko: Spitzenreiter (von Optimist)

Haben sich die Dinge verändert, oder ist man einfach nur älter geworden?

Unter diesem Motto steht das Programm "Spitzenreiter" von Hans-Günter Butzko, das eigentlich keines ist. Also kein Programm. Denn "Spitzenreiter" ist eine Mischung aus den Highlights der vier Kabarett-Solos, die Butzko mit "Butzkolonne", "Butzunion", "Machtparty" und "Voll im Soll" in den letzten zehn Jahren auf die Bühne gebracht hat. Und irgendwie ist es doch ein Programm geworden:

Denn wer jetzt an eine schnöde Aneinanderreihung von Best-Of-Witzchen denkt, ist schief gewickelt. Die Rückschau wildert zwar querbeet zwischen Butzkos Geburt und der Tagespolitik der Kanzlerin sowie allen seinen Programmen, eine Runde Sache wird das ganze aber trotzdem.

Mit Figuren wie dem pragmatischen Bankräuber mit Sturmhaube, dem Nerv-Öko und philosophischen Dünnbrettbohrer Chris, einer neoliberalen Investmentheuschrecke mit Broker-Telefonaten über Milliardenbeträge und - sozusagen als Anchorman mittendrin - immer wieder Butzko himself aus Schalke/Gelsenkirchen bringt er seine Weisheiten und Ansichten aus verschiedenen Perspektiven an. Der Rote Faden ist die Retrospektive und die immer wiederkehrende Prüffrage: Haben sich die Dinge verändert oder ist man einfach nur älter geworden?

Der Nerv-Öko Chris (Nachname "die Motten") müht sich mit philosophischen Fragen a la "Wie kommt der Schneepflugfahrer zur Arbeit?" und "Warum haben 24-Stunden-Shops Schlösser an den Türen?" scheinbar sinnlos ab, um schließlich doch noch den Stein der Weisen bei der Frage "Wie kommme ich in den Himmel?" zu finden: Wo fängt der Himmel an? Es gibt ja keine richtige Grenze, wenn man so nach oben schaut, also fängt er wohl schon auf Erden an. Dann muss wohl, wer in den Himmel will, auf der Erde einfach nur durchs Leben gehen.

Wie man zu mehr Äpfeln kommt, als man ohnehin schon hat, weiß hingegen der Investmentbanker: Zehn Äpfel vom Sparer geliehen und ihm versprochen, elf zurückzugeben, hat er längst woanders eine Wette über 20 Äpfel darauf abgeschlossen, dass er dem Sparer nur zwei Äpfel zurückgibt. Alles klar?

Schließlich ist da noch Butzko selbst, der Mann mitten in der Gesellschaft, der sich verwundert umdreht und fragt: was passiert hier um mich herum? Wer ist im Wettrennen des Eigensinns am schnellsten in seinen religiösen Gefühlen verletzt? Warum darf man in Beiträgen für den Bayrischen Rundfunk keine Witze über Katholiken machen? Und was will in der Disco die kleine Kröte vor ihm, wenn sie zum Freund sagt "schau mal, hier lassen Sie jetzt schon Leute zum Sterben rein". Schließlich hat Butzko in seiner Jugend die Erfindung des Überspielkabels als der Technik letzte Weisheit erfahren und hält dem Halbstarken Vorträge über Mono-Aufnahmen, Nicaragua-Kaffee und Sicherheitsnadeln an Lederjacken. Die 80er haben schließlich auch ohne Google ("gib' da mal MONO ein!!!"), MP3 und Piercings Spuren hinterlassen.

So spielt Butzko alle Themenbereiche von Kapitalismus, Gesellschaft, Politik und Religion durch, ohne auch nur irgendjemanden oder irgendwas zu verschonen, (Freitags-)Publikum eingeschlossen.

Was den Auftritt selbst anging, war ich erst irritiert. Butzko war für mich aus den vergangenen Besuchen die Leib gewordene Wortgewalt und Schnelligkeit. Aber hier lehnte er anfangs mehr steif als lässig am Stehtisch und sprach nicht halb so schnell, als er das vermag, wirkte müde und lustlos. Zur Pause hin wurde es dann flotter, der zweite Teil war reinstes, sprühendes Butzko-Kabarett. Sogesehen eine durchgängige Beschleunigung, wenn es denn so gewollt war.

Fazit: Mit seinen Figuren, dem Sprachwitz und der Hintergründigkeit der Texte ist "Spitzenreiter" auf jeden Fall einen Besuch wert! 1A-Kabarett mit Aufwärmphase.

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