Wer schon mal bei Luise Kinseher war, der weiss: Die erste Reihe ist riskant. Wen sie einmal am Schlawickel hat, der darf sich über einen Abend voller Pointen auf seine Kosten freuen. Den Leuten am Mittelgang sollte es diesmal aber auch nicht besser gehen.
Denn drei alte Bekannte sind aus dem letzten Programm "Glück & Co" mitgewandert und dazu gehört neben Frau Rösch und Frau Frese auch die ewig mannstolle Frau Lachner, die sich ihre Sahnstücke aus der ersten Reihe aussucht und gnadenlos den ganzen Abend mit ihrem Flirt-Repertoire umschmeichelt.
Frau Lachner ist mittlerweile die Chefin vom Berghotel Freiheit, welches sie mit Hilfe ihrer kratzbürstigen und äußerst herrischen (Ex-)Sekretärin Frau Rösch betreibt. Stets um das eigene Renomee und das Wohl ihrer Gäste bemüht, haben sich die beiden für die Abendunterhaltung der Hotelgäste etwas besonderes einfallen lassen: Die Kabarettistin Luise Kinseher tritt auf. Und damit beginnt der Schrecken des Erfolgsduos. Denn Frau Kinseher macht Kabarett - so war das nicht gedacht. Frau Lachner hätte da mehr an bayerische Erbtalente wie Jodeln und Gstanzl erwartet und verweist Frau Kinseher nach einiger Zeit kurzerhand der Bühne.
Das Hotel hat jedoch eigentlich ganz andere Probleme. Bisher ist er ja noch weggeblieben, der neureiche Russe. Und wenn er kommt, der Russe, dann wird er unweigerlich morgens mit dem Hintern im Früchtejoghurt sitzen und Rührei an den Nachbartisch spucken - man kennt das ja. Anschließend wird noch mit der Kalaschnikov rumgeballert und das Hotel ist nach dem Kurzaufenthalt vollständig renovierungsbedürftig.
Aber soweit ist es noch nicht. Erstmal erzählt Frau Frese noch gewohnt charmant vom Leid mit ihrem Mann Heinz (88 Jahre, sieht aber älter aus). Derweil torkelt Maria, die den Benimmkurs des Hotels besucht, sturzbesoffen durch die Hotelbar und beschwert sich bitterlich über Traktate der Kursleiterin.
Schließlich kommt dann doch, man muss es ahnen, die frisch angereiste Russin Olga, und erklärt den Deutschen mal unverblühmt, was Rühreispucken mit Freiheit zu tun hat.
Ob nun in Marias Benimmkurs (Wachtelknocken nicht ins Dekolleté), in der frischen Ehe von Luise (wir haben viel gemeinsam, jeder für sich), in der alten Ehe von Frau Frese (Doppelhaushälfte ja, Doppelbett wenns sein muss, aber Doppelgrab auf keinen Fall), in der wirtschaftlichen Lage des noch staatlichen Hotels (Verkauf an Interconti wird vorbereitet, das seine Russen loswerden will), die Privatsphäre der Gäste (minutenlange Handtaschendurchsuchung im Publikum) oder eben Olga (Deutsche spucken nur deshalb kein Rührei, weil es keine Regeln dafür gibt), alle treibt das Thema Freiheit auf die eine oder andere Weise um.
Rahmen und roter Faden, Figuren und schauspielerische Leistung, Unterhaltungswert und krachender Humor, sogar der Flirtfaktor in der ersten Reihe - bei Luise Kinseher passt einfach alles derart grandios zusammen, dass man fast vergisst, dass es auch noch um etwas inhaltliches - um die Freiheit eben - geht. Sie versteht es, das Publikum mit Charme um den Finger zu wickeln, es immer wieder mit einzubeziehen und ab und zu ganz fest an der Nase zu packen. Man geht mit dem schönen Gefühl aus dem Theater, hohe Kunst der Kleinkunst gesehen zu haben.
Fazit: Kabarett der Extra-Klasse, unbedingt hingehen.
Samstag, 1. März 2008
Kabarett: Luise Kinseher: Hotel Freiheit (von Optimist)
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1 Kommentar:
Ich freue mich sehr, dieses Programm der hochgeschätzten Kollegin noch zu sehen, bevor sie im Herbst wieder mit einem neuen Programm zum Thema "Besitz" auf den Brettern steht. Viel Spaß damit!
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